Die Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom

Die Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom


Nachdem der Spaak-Bericht, eine hauptsächlich technische Studie, anlässlich der Konferenz von Venedig am 29. und 30. Mai 1956 als Grundlage späterer Verhandlungen für die Europäische Relance verabschiedet worden ist, kommen die Delegationsleiter der sechs Mitgliedsstaaten am 26. Juni in Brüssel im belgischen Außenministerium zusammen, um gemeinsam die Regeln für die Arbeitsweise der Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom festzulegen. Gemäß den in Venedig getroffenen Entscheidungen besteht die Regierungskonferenz unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak aus zwei Gruppen, die die technischen Probleme, die sich aus der Ausarbeitung der beiden Verträge ergeben untersuchen sollen:


- die Gruppe für den Gemeinsamen Markt unter dem Vorsitz von Hans von der Groeben, Ministerialdirektor im deutschen Wirtschaftsministerium, und

- die Gruppe für Euratomunter dem Vorsitz von Pierre Guillaumat, Generalverwalter und Delegierter der französischen Regierung beim Kommissariat für Atomenergie CEA.


Es wird ebenfalls eine Redaktionsgruppe unter dem Vorsitz des stellvertretenden Generaldirektors für Wirtschaftsangelegenheiten im italienischen Außenministerium, Roberto Ducci, eingerichtet, die den Delegationsleitern zur Verfügung steht, um die im Spaak-Bericht enthaltenen Schlussfolgerungen, die die Ausgangsbasis für eine erste Vertragsfassung sind, in Form von Artikelvorschlägen verfasst. Sie hat ebenso die Aufgabe, die juristische Abfassung der endgültigen Texte, die den Delegationsleitern und den Gruppenvorsitzenden zur Zustimmung vorgelegt werden, auszuarbeiten.


Nach dem Beispiel des Spaak-Ausschusses versammelt die Regierungskonferenz die einzelstaatlichen Delegationen, die indessen vergrößert worden sind und von Sachverständigen aus der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterstützt werden. Zahlreiche Beamte der nationalen Verwaltungen sowie Vertreter der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerverbände nehmen ebenfalls an den fachspezifischen Diskussionen teil.


Der Delegationsleiterausschuss lenkt die Arbeiten und übernimmt die politische Verantwortung. Die von den beiden technischen Gruppen geleistete Arbeit und alle Unstimmigkeiten werden ihm im Übrigen zur Prüfung vorgelegt. Unter dem Vorsitz von Paul-Henri Spaak gehören zum Delegationsleiterausschuss außerdem Carl Friedrich Ophüls (BRD), Baron Snoy et d’Oppuers (Belgien), Maurice Faure (Frankreich), Lodovico Benvenuti (Italien), Lambert Schaus (Luxemburg) und Johannes Linthorst Homan (Niederlande). Die Arbeitsgruppen für den Gemeinsamen Markt und Euratom prüfen ihrerseits die Empfehlungen des Berichtes des von der Konferenz von Messina zur Ausarbeitung der Verträge eingesetzten Regierungsausschusses. Auf Antrag der französischen Delegation werden die Diskussionen über die Einbindung der Überseeländer und -gebiete (PTOM) auf die zweite Tagung der Konferenz, das heißt auf September, verschoben.


Die Konferenz tagt mehrere Male im Juli, und die Verhandlungen werden im August ausgesetzt. Der Anfang erweist sich als schwierig. Am 6. Juli entbrennt eine Debatte in der französischen Nationalversammlung über den Gemeinsamen Markt und Euratom. Die Diskussionen zeigen, dass das Algerienproblem die Nationalversammlung bestimmt und dass es nicht die erforderliche Mehrheit für die Europathesen der französischen Regierung hat. Es kommt auch eine gewisse Verunsicherung im Hinblick auf die Arbeitsweise der Konferenz auf; einige stellen die bereits im Spaak-Bericht enthaltenen Lösungen wieder in Frage und andere schlagen die Schaffung einer unendlichen Vielzahl von Untergruppen vor, um mehr oder minder akademische Arbeiten durchzuführen.


Nach der Sommerpause werden die Arbeiten im Schloss von Val Duchesse, in der Nähe von Brüssel, effizienter wieder aufgenommen. Die Haltungen der Teilnehmer bilden sich nämlich immer klarer heraus. Die französische Delegation wirft ins Gewicht, dass es für sie politisch gesehen unabdingbar ist, dass einige vorrangige soziale Angelegenheiten durchgeführt werden und dass die zu schaffenden Institutionen sich von denen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterscheiden. Sie fügt fast sofort eine Forderung hinzu, die darauf abzielt, für eine bestimmte Zeit eine Ausnahmeregelung zu erhalten, indem sie die Situation in Nordafrika als Grund für den Inflationsdruck und die Notwendigkeit von Exporthilfen und Ausgleichzöllen für den Import anführt.


Während in der Euratomgruppe die Arbeiten in einem zufrieden stellenden Tempo voranschreiten und nach und nach Lösungen für die Konfliktpunkte wie die Ankaufspriorität oder die Kontrolle gefunden werden, befindet sich die Gruppe für den Gemeinsamen Markt weiterhin in Schwierigkeiten. Es bedarf des politischen Willens der Verhandlungsführer, eine Einigung zu finden, des diplomatischen Know-hows von Paul-Henri Spaak und immer wieder der Impulse durch die Außenminister, um im Winter 1956-1957 die letzten Verhandlungen von Val Duchesse voranzutreiben.

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