The refusal to ratify the EDC Treaty

Die Ablehnung der Ratifizierung


Während die fünf Partner Frankreichs den Prozess der Ratifizierung durch die Parlamente beginnen, sind die meisten französischen Parteien in einem ideologischen Streit gespalten. Das geht so weit, dass Italien beschließt, den Ausgang der Abstimmung der französischen Volksvertreter abzuwarten, bevor es eine Entscheidung trifft.


Das „Mouvement républicain populaire“ (MRP) unter der Führung von Robert Schuman kämpft für die Ratifizierung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), den es als entscheidenden Schritt auf dem Weg zur föderalen Einheit Europas und als bestes Mittel gegen das Wiederaufkeimen eines deutschen Nationalismus betrachtet. Zudem sehen die Befürworter der EVG in der Gemeinschaft eine Möglichkeit, sich aus der erniedrigenden Lage eines zu beschützenden und zu unterstützenden Verbündeten zu befreien, der Gegenstand eines Wettbewerbs zwischen Ost und West ist. Im Gegensatz dazu tun sich die französische kommunistische Partei (PCF) und das von General de Gaulle gegründete „Rassemblement du peuple français“ (RPF) gegen das Vorhaben zusammen, das in ihren Augen mit einem unannehmbaren Souveränitätsverlust verbunden wäre und wieder einmal die Briten von einem Projekt höchster strategischer Bedeutung ausschließen würde. Zu dieser Zeit ist die Erinnerung an die Besatzung durch die Nazis noch höchst lebendig, und die Wiederbewaffnung Deutschlands erscheint vielen als ein großer Fehler. Die Radikalen, die Sozialisten und die Unabhängigen schließlich sind sich uneins.


Auch die internationale Lage ist der EVG nicht förderlich. Im Indochinakrieg erleidet Frankreich schwere militärische Niederlagen, und die Rechtsnationalisten fürchten eine erneute Schwächung der französischen Armee. Mit dem Tod Stalins im März 1953 und der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens in Korea vier Monate später scheinen die Zeichen eher auf Entspannung zu stehen, was der EVG ihre Dringlichkeit nimmt. Schließlich fühlen sich die französischen Abgeordneten von den Amerikanern unter Druck gesetzt und wollen sich ihre Entscheidung nicht aufzwingen lassen.


Unter diesen Umständen verschieben die aufeinander folgenden Regierungschefs in Frankreich die Ratifizierung des Vertrags immer wieder, der zudem mittlerweile offen von der nationalen Politik verurteilt wird. Von den häufigen Regierungskrisen der IV. Republik geschwächt, trifft die Regierung unter Mendès France, die selbst aus Befürwortern und Gegnern der EVG besteht, auf zahlreiche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines so umstrittenen Projekts. In letzter Minute fordert Mendès France, der dem Vorhaben selbst sehr reserviert gegenüber steht, sogar – vergeblich – von seinen europäischen Partnern, einige Aspekte der Anwendung des Vertrags abzuändern, wodurch die Supranationalität geschwächt würde. Da er diese Änderungen nicht durchsetzen kann, weigert sich Mendès France, seine politische Verantwortung einzusetzen und die Vertrauensfrage zur Ratifizierung zu stellen.


Während die Partner Frankreichs den Vertrag bereits ratifiziert haben – mit Ausnahme Italiens, das sich jedoch dazu anschickt –, gipfeln das Gezerre und die Debatten schließlich am 30. August 1954, als die französische Nationalversammlung die Aussprache über das diplomatische Dokument, das den Präsidenten der Republik zur Ratifizierung des Vertrags über die EVG befugen würde, mit 319 zu 264 Stimmen verschiebt. Durch diesen Verfahrenstrick lehnt Frankreich somit das Vorhaben einer europäischen Armee ab, das es ursprünglich angestoßen hatte. Für die Föderalisten setzt das „Verbrechen vom 30. August“ der Dynamik der europäischen Integrationsbewegung vorläufig ein Ende.


Sowohl in Westeuropa als auch in den Vereinigten Staaten herrscht allgemeine Bestürzung. Die Enttäuschung ist riesig und verlangt nach einer schnellen Reaktion. Frankreich, das sich in den letzten Jahren als Verfechter der europäischen Sache positioniert hatte, wird durch diese Ablehnung ernsthaft diskreditiert. Die Gründung der Westeuropäischen Union (WEU) am 23. Oktober 1954 ist nur ein minderwertiger Ersatz für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), und die deutsche Wiederbewaffnung findet ab dem 5. Mai 1955 ungeachtet des französischen Widerstands im Rahmen der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) doch statt. Es dauert bis zur „Relance“ von Messina im Jahr 1955, bis das europäische Aufbauwerk fortgeführt wird. 

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