Die Bedeutung der kommunistischen Parteien


Die kommunistischen Parteien, die nach der Unterzeichnung des Nichtangriffspakts zwischen Hitler und Stalin isoliert und teilweise sogar verboten worden waren, gehen gestärkt aus dem Krieg hervor. Dank ihrer Strukturen im Untergrund finden sie nach dem Kriegseintritt der UdSSR im Jahr 1941 ihren Platz in der Widerstandsbewegung. Sie haben zahlreiche Opfer in ihren Reihen zu beklagen, was einige Kommunisten dazu veranlasst, sich den Beinamen „Parti des fusillés“ („Partei der Erschossenen“) zu geben. Der Kampf gegen die Faschisten, der seine Krönung in dem Sieg über Hitler-Deutschland findet, begründet den Ruhm des internationalen Kommunismus. Sogleich nach Kriegsende bemüht sich die sowjetische Außenpolitik, in den von der Roten Armee befreiten Gebieten der UdSSR freundlich gesinnte Regierungen einzusetzen.


Sich mit dem Ruhm der Roten Armee schmückend, können die Kommunisten auf großen Zustrom an Mitgliedern und Wählern hoffen; denn sie wissen sich die durch den Krieg verursachte soziale Ungerechtigkeit und die wirtschaftlichen Probleme des anschließenden Wiederaufbaus zu Nutze zu machen. Die Kommunisten in Frankreich und in Italien sind gut strukturiert und verfügen über zahlreiche extrem weit verzweigte: Arbeitergewerkschaften, Studenten- und Jugendorganisationen, Frauen- und Veteranenverbände, Freizeitklubs und Ferienlager. Massenveranstaltungen zur Verherrlichung des Kommunismus und der Arbeiterklasse werden veranstaltet. In Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden sind die Kommunisten an den Regierungen der nationalen Einheit beteiligt. Ihr Ziel besteht in der Stärkung ihres Einflusses in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, um die Bedingungen für die Gründung einer neuen, kommunistischen Gesellschaft zu schaffen. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 1946 erhalten sie nicht weniger als 18,9 % der Stimmen in Italien und 28,8 % in Frankreich. Die französische Parti communiste (PC) stellt sogar die größte Fraktion in der Nationalversammlung. Sie wird zur größten Partei in Frankreich. In Frankreich zählen die Kommunisten 930 000 Mitglieder, in Italien 2 280 000. Die belgische kommunistische Partei, die 1939 noch 10 000 Mitglieder hatte, zählt nach der Befreiung mehr als 100 000. Dank dieses Rückhalts bei den Wählern gelingt es den Kommunisten, die Streiks einzudämmen, die den Produktivitätszielen, die sie gegen die amerikanischen Wiederaufbaupläne ausgegeben hatten, zuwider laufen. Denn die kommunistischen Bewegungen im Westen fordern zwar die Herstellung eines dauerhaften Friedens auf dem europäischen Kontinent, äußern jedoch sehr schnell Bedenken angesichts eines zu großen Einflusses Großbritanniens und der Vereinigten Staaten. Gleichzeitig fürchten sie die Wiedereingliederung Westdeutschlands in einen europäischen Block, der zu offen gegen die Sowjetunion opponiert.


Im Sommer 1947 spaltet der beginnende Kalte Krieg die unmittelbar nach der Befreiung gebildeten Regierungen der nationalen Einheit. Der Kalte Krieg wird mit jedem Tag deutlicher spürbar. Im März 1947 ergreifen die Vereinigten Staaten Maßnahmen zur Eindämmung der kommunistischen Bedrohung in Griechenland. Von März bis Mai werden die kommunistischen Minister – die zwischen der Loyalität zu ihrer nationalen politischen Koalition und den sowjetischen Parolen hin- und hergerissen sind – aus der belgischen, der französischen und der luxemburgischen Regierung entfernt. Gleichzeitig übernehmen die Kommunisten in Ungarn die Macht. Einen Monat später schlägt der amerikanische Außenminister George Marshall einen ehrgeizigen Wiederaufbauplan für Europa vor. Die Kommunisten, die weiterhin einen starken moralischen Einfluss besitzen, kritisieren den amerikanischen Imperialismus und rufen zum Kampf um die nationale Unabhängigkeit auf. Die französische und die italienische kommunistische Partei nutzen die explosive soziale und wirtschaftliche Lage und tragen aktiv zur Auslösung großer Streikbewegungen im Winter 1947 bei.


In Mittel- und Osteuropa gehören den Regierungen der „Nationalen Front“ auch Kommunisten an, die nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt worden waren. Sie besetzen Schlüsselposten wie beispielsweise das Innen- und das Verteidigungsministerium und verstehen es, ihre politischen Gegner nach und nach auszuschalten. Dabei kommt ihnen die Unterstützung durch die UdSSR zu Gute. Die Wahlen bieten den Wählern bald keine Alternative mehr, sie beschränken sich immer öfter auf die einstimmige Absegnung der praktisch von der Kommunistischen Partei dominierten „Nationalen Front“. Nicht-Kommunisten werden bald verfolgt. Der nationale Kommunismus selbst hat schnell keine Berechtigung mehr. Säuberungsaktionen werden durchgeführt, die Kirche und ihre Vertreter werden Ziel der Verfolgung. Die Trennung zwischen West- und Osteuropa tritt immer deutlicher zu Tage. Die Gründung des Kominform – des Kommunistischen Informationsbüros in Belgrad, das an die Stelle des Komintern von vor dem Krieg tritt – Ende September 1947 bestätigt diese Entwicklung. Der Februarumsturz in Prag im Jahr 1948 setzt den Vorstellung von einer friedlichen Versöhnung über den Eisernen Vorhang hinweg ein jähes Ende. Die Aufteilung der Welt um zwei Supermächte kennzeichnet nunmehr die internationale Politik.


Die Idee einer europäischen Integration wird von den Kommunisten systematisch verworfen, die die Schaffung eines kapitalistischen Blocks unter amerikanischer Führung kritisieren und die Umwandlung Europas in ein atlantisches Protektorat ablehnen. Sie fürchten zudem den Wiederaufstieg des Deutschlands, das der Widerstand noch wenige Jahre zuvor bekämpft hatte. Daher rufen sie unablässig zur Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit auf und lehnen den Marshall-Plan – wie auch die UdSSR im Jahr 1974 – sowie jegliches europäische Integrationsvorhaben vehement ab. Die sozialistischen und christdemokratischen Kräfte, die ihrerseits eine internationalistische Tradition haben, verstehen ihrerseits die Furcht vor dem stalinistischen Kommunismus auszunutzen.

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